GEFÄHRLICHE KREUZUNGEN. DIE GRAMMATIK DER TOLERANZ

im Rahmen von Ortstermine 2006 - freie Kunst im öffentlichen Raum der Landeshauptstadt München

Der Stadtrat hatte das KünstlerInnen Kuratorenteam
Farida Heuck, Ralf Homann und Pia Lanzinger berufen,
Kunst im öffentlichen Raum zum Thema Toleranz auszuwählen und
im Herbst 2006 wurde das Projekt im Stadtraum München präsentiert.


Toleranz ist in aller Munde wenn es darum geht aktuelle gesellschaftliche Konflikte zu schlichten. Toleranz scheint als Wunderwaffe. Das dem nicht so ist und ganz im Gegenteil die Toleranz Konflikte eher verschärft wird umso deutlicher je länger und umfassender man sich mit Toleranz beschäftigt.
Die Ursache ist die Grammatik die der Toleranz zugrunde liegt. Sie zeigt, dass Toleranz ein vordemokratisches Konzept ist mit dem Probleme der Globalisierung der Bürgerrechte und der Gleichheit nicht gelöst werden können.


Die eingeladenen Künstler, Künstlerinnen und Künstlergruppen wiesen sehr unterschiedliche Sichtweisen auf, die die Gefährlichen Kreuzungen in drei thematische Schwerpunkte bündelten:
Der erste Schwerpunkt fragte nach der Augenhöhe, in der sich die Beteiligten begegnen, wenn es um Toleranz geht. Der zweite untersuchte, was als Norm gewertet wird, wie sich Normalisierung herstellt, sichert, und welche Mittel zur Sicherung eingesetzt werden. Der dritte Schwerpunkt stellte Selbsttechniken vor, mit denen von Normalisierung Betroffene, ihre Geschicke selbst in die Hand nehmen.


Das Buch ‚Gefährliche Kreuzungen: Die Grammatik der Toleranz’ ist ein Handbuch, das die vielfältigen Aspekte der Toleranz und die dazugehörige Auseinandersetzung der KünstlerInnen und TheoretikerInnen erschließt.
Es ist eine Art Routenplander durch die Verstrickungen der Toleranz.
(ISBN: 3-88960-087-5, Hrsg. Farida Heuck/Ralf Homann/Pia Lanzinger,
Verlag Silke Schreiber, München 2006)


KünstlerInnen:
Beate Engl, Freie Klasse München, Alex Gerbaulet, Stefano Giuriati & Aldo Giannotti, Alexander Klosch & Oliver Thuns, Klub Zwei, Andrea Knobloch, Folke Köbberling & Martin Kaltwasser, Konrad Becker/GSA, neuroTransmitter, raumlabor_berlin, RELAX

TheoretikerInnen:
Boris Buden, Sun-ju Choi, Antke Engel, Michael Hauffen, Angela Koch, Brigitte Kuster, Stefan Nowotny, Gerald Raunig, Hito Steyerl, Vassilis Tsianos


Projekte (Auswahl)


Stazione Mobile dei Carabinieri
Stefano Giuriati und Aldo Giannotti simulierten Einsätze einer mobilen Gruppe italienischer Carabinieri. Normalerweise ist innerhalb eines Staates die nationale Polizei für exekutive Aufgaben zuständig. Bei Großveranstaltungen kann dies jedoch außer Kraft gesetzt werden. Die beiden Künstler spielten mit der Vorstellung, wie es wäre, wenn die Polizei aus anderen europäischen Staaten immer diese Legitimation hätte?


Stefano Giuriati und Aldo Giannotti                                             Beate Engl


I'm as mad as hell...
Beate Engl schlug in ihrer Arbeit den thematischen Bogen von vermeintlichen Selbsttechniken der Meinungsäußerung hin zur Frage nach der Augenhöhe in den Gesellungsverhältnissen, die einer Öffentlichkeit zu Grunde liegen müssen. Ausgehend vom Phantasma der Relevanz einer Speaker's Corner kombinierte sie dieses Klischee von Öffentlichkeit mit Agit-Prop-Entwürfen der russischen Konstruktivisten.


Global Security Alliance
In einer Welt, in der Wahrnehmung als Wirklichkeit dargestellt werden kann, wollte Konrad Becker die Wahrnehmung nicht dem Zufall überlassen. Monochrom gehaltene Schattenrisse von Helikoptern markierten eine psychogeografische Landkarte aus der Satellitenperspektive, analog einer digitalen Kartografisierung statistischer Sicherheitsprognosen.


Konrad Becker/GSA                                                   Köbberling&Kaltwasser


Fliegende Bauten
Ökonomisierung und neoliberale Privatisierung des öffentlichen Raums reflektiert das Künstlerduo Köbberling & Kaltwasser. Sie interessiert das Leben in der Stadt, der Wert von Regungen, Kommunikation, Auseinandersetzung und die Qualität der freien Nutzung des urbanen öffentlichen Raums. Aus gefundenen oder geschenkten Materialien entwickelten sie eine temporäre und informelle aber voll funktionsfähige Häusersiedlung.


Für eine Stadt ohne Rassismus
Die Verfahrensweisen und Machtgefüge der Mehrheitsgesellschaft boten den Kontext der Arbeit von Klub Zwei. Simone Bader und Jo Schmeiser untersuchten die Bedeutung des Weiß-Seins. Die Themen Rassismus und Migration werden oft mit MigrantInnen in Verbindung gebracht, hingegen recht selten mit den Angehörigen der weißen Mehrheitsgesellschaft, die von rassistischen Verhältnissen profitieren.


Klub Zwei                                                                                       Relax


platzhalter
Selbsttechniken der Wiederaneignung des öffentlichen Raums untersucht RELAX und kommen in ihrer Analyse des Münchner Stadtraums zu dem Ergebnis, dass mediales Setting und Stadtmöblierung der Ökonomisierung und Gentrifizierung verpflichtet sind. RELAX stellen in einer künstlerischen Setzung, Instrumente der offensiven Einschreibung in den öffentlichen Raum zur Verfügung.


'Gefährliche Kreuzungen', (Einleitung.pdf - 76kB)
in: Gefährliche Kreuzungen. Die Grammatik der Toleranz,
Farida Heuck, Ralf Homann, Pia Lanzinger (Hg), München 2006